Generalsekretärin des Kirchentags spricht auf dem Propsteitag der Propstei Nord-Nassau
Kristin Jahn fordert „Piratenherzen“
bon
06.06.2025
bon
Artikel:
Download PDF
Drucken
Teilen


Die Propstei Nord-Nassau umfasst vier Dekanate – unter anderem auch das Evangelische Dekanat Westerwald. In den Räumen der Evangelischen Kirchengemeinde Hermannstein sprachen die Teilnehmenden über geistliche Aha-Erlebnisse, über das Gute im Chaos und über mutige Piratenherzen.
Geistliche "Spurensuche"
Der Propsteitag gleicht dabei einer „Spurensuche“, wie es Pröpstin Sabine Bertram-Schäfer zu Beginn ausdrückt. Ein Tag, in dem es nicht vordergründig um die allgegenwärtigen Veränderungsprozesse der Kirche geht. Sondern auf die Suche nach dem, was geistlich nährt, sagt die Pröpstin. „Als Hauptamtliche in der Kirche sind wir oft genug damit beschäftigt, anderen geistliche Nahrung zu geben. Heute soll es darum gehen, was wir brauchen, was uns stärkt – besonders in Umbruchzeiten.“
Emotionaler Vortrag
Die Pfarrpersonen und Dekanatsmitarbeitenden gehen an diesem Tag freilich nicht allein auf Spurensuche, sondern mit Kristin Jahn. Sie ist Theologin und Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags und spricht in einem emotionalen Vortrag über die Zukunft der Kirche. Für sie besteht diese Zukunft nicht nur aus Gesprächen über Strukturen und Mitgliederzahlen. „Die vielen Überlegungen beschreiben nicht die Schönheit und Kraft der Kirche“, ist sich Kristin Jahn sicher. „Die Zukunft nenne ich: Gott. Und ich stelle mir die Frage: Bin ich bereit, diesen weiten Raum der Zukunft zu betreten, mit allen Überraschungen, die Gott schenkt?“ Ein Schritt, der von denen, die Kirche sind, ein „Piratenherz“ fordert, wie’s die Theologin ausdrückt. „Bei all den Strukturfragen, die die Evangelische Kirche in Deutschland gerade vor sich herträgt: Lasst uns doch mehr über Gott nachdenken! Nicht, um die Hände in den Schoß zu legen. Aber mit der Bereitschaft, sich von ihm mutig rufen zu lassen. Gott hat Lust auf uns mit unseren kleinmütigen Herzen.“ Kristin Jahn weiß, dass sie mit der Sehnsucht nach einer Kirche der Zukunft nicht allein ist. „Auch wenn die Mitgliederzahlen eine andere Sprache sprechen: Es geht weiter. Trotz unseres Jammerns. Denn es gibt immer wieder die heiligen Momente – und es gibt immer wieder Kollegen, mit denen wir Dinge nach vorne träumen können. Deshalb: Schmeißt Eure Energie zusammen. Was wird das für ein Leuchten werden!“
An den Bruchkanten des Lebens begleiten
Für Kristin Jahn ist die Zukunft der Kirche deshalb eine helle: „Wie toll wäre das, wenn Kirche ein Ort ist, an dem wir uns treffen und uns das zeigen, was wir lieben. Eine Kirche, die Menschen an den Bruchkanten des Lebens begleitet und diese Menschen nicht fallen lässt. Und die bedingungslos in allem das Gute sucht.“ Denn das ist ihrer Überzeugung nach die Kernkompetenz der Kirche: In allem „Schmodder“, wie sie’s nennt, das Gute zu finden, statt neue Feindbilder aufzubauen. „Das setzt aber die Mündigkeit unserer Herzen und unseres Glaubens voraus. Denn Glaube oder Bekenntnis lässt sich nicht delegieren. Es braucht mein eigenes Reden und Suchen nach Gott. Sonst funktioniert Gemeinde nicht.“
Mehr zutrauen
Die Kirche kann dieser Suche einen Raum geben, glaubt die Theologin. „Sie kann eine Herberge für all diejenigen sein, die Sinn suchen. Und sie kann die Rolle einer Mentorin einnehmen und zur Mündigkeit ermutigen.“ Dann müssen Pfarrpersonen nicht alles selbst tun, glaubt Kristin Jahn. „Wie wäre es, wenn wir den Menschen mehr zutrauen? Wenn Kirche ein Ort ist, wo sie in ihrer Menschlichkeit angesehen werden – ohne, dass sie etwas Gutes getan haben müssen. Kirche muss ein Ort der Zuflucht und des Schutzes sein – ohne Ansehen der Person. Denn es steht Christen nicht zu, über das Leben anderer zu richten.“
Segensgeschichten am Ende
Ganz am Ende gibt Kristin Jahn ihren ZuhörerInnen noch einen Impuls mit: „Was würde Jesus an unserer Kirche lieben?“, frag sie und wünscht den Gästen in Wetzlar, dass sie den Mut haben, loszugehen. „Nur mit dem Wort Gottes im Gepäck: ,Ich bin da; ich werde bei Dir sein‘. Mehr gibt’s nicht. Das ist alles.“ Mit diesen Gedanken gehen die anwesenden Gäste dann in Kleinrunden und tauschen sich über die Momente aus, die ihnen in ihrem Alltag Kraft geben und in denen sie Segen spüren. Die Segensgeschichten, die sich die PfarrerInnen und Mitarbeitenden währenddessen erzählen, runden den Propsteitag ab – und dürften für einige der Gäste tatsächlich Spuren auf dem Weg in die Zukunft der Kirche sein. (bon)
Diese Seite:Download PDFTeilenDrucken