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Gedenkfeier für die Vertriebenen und Ermordeten

Stadt Selters und Kirchen erinnern an Novemberpogrome

dekViele Menschen erinnerten in Selters an die Opfer der Novemberpogrome.

Mit einer stillen Feier hat die Stadt Selters an die Novemberpogrome des Jahres 1938 erinnert. Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule Selters gestalteten das Gedenken: Auf 70 Kerzen schrieben sie die Namen der Juden, die damals aus Selters vertrieben und von denen 38 ermordet wurden.

dekViele Menschen erinnerten in Selters an die Opfer der Novemberpogrome.

In bewegenden Szenen stellten die Schülerinnen und Schüler die menschenverachtende Grausamkeit dar, mit der die jüdischen Mitbürger damals in Selters und überall in Deutschland behandelt wurden: geschlagen, bespuckt, auf dem Boden liegend getreten.

"Warum hilft mir keiner?"

Mit Bildern versuchten die jungen Menschen an das Unfassbare zu erinnern. Sie gipfelten in dem Schrei eines der Opfer: Warum hilft mir keiner? Eröffnet wurde die Feier mit dem Lied „Don-aj, Don-aj“, gesungen von Anja Göbel. Es stammt aus dem jüdischen Ghetto in Warschau. Itschak Katsenelson hatte es unter dem Eindruck der Deportation seiner Eltern nach Auschwitz geschrieben. Er selber wurde später im April 1944 in Auschwitz durch Giftgas ermordet. Die letzte Strophe heißt auf Deutsch: „Arme Kälbchen darf man binden, und man verschleppt sie und schlachtet sie. Wer Flügel hat, fliegt in die Höhe und ist bei niemand ein Knecht.“

Auf den Weg gemacht

Der Bürgermeister von Selters, Rolf Jung, begrüßte sodann alle Anwesenden mit der Frage: Können wir uns trotz des Erinnerns an die damaligen Schrecken einen guten Abend wünschen? Das Ja kam sicherlich nicht aus einem unbeschwerten Herzen, aber aus dem Wissen heraus: Wir leben heute in Frieden. In großer Stille, mit brennenden Kerzen in der Hand, machten sich alle auf dem Weg, um stellvertretend zu zwei Häusern zu gehen, die damals von Juden bewohnt wurden.

An Mitbürger erinnert

Vier Kerzen wurden in der Bahnhofstraße 18 neben den Steinen aufgestellt, die auf dem Bürgersteig eingelassen an die damaligen Bewohner erinnern: an Julius Lichtenstein. Er floh zunächst nach Holland, wurde in Amsterdam interniert, 1943 nach Theresienstadt und dann nach Auschwitz deportiert, wo er am 25. Oktober 1944 ermordet wurde. Und an Frieda Schönmann sowie Fritz und Paul Lichtenstein, die in die USA fliehen konnten. Ebenfalls in der Rheinstraße 41 wurde eine Kerze in Erinnerung an Karl Julius Sonnenberg entzündet. Er wurde am 4. Mai 1945 in Bergen-Belsen ermordet.

Vater unser auf Aramäisch

Wieder zurückgekehrt auf den Marktplatz, hatten noch einmal die Schülerinnen und Schüler das Wort. Sie beantworteten in großer Ehrlichkeit und Schlichtheit die selbstgestellte Frage: Was macht mein Leben reicher? Anschließend gaben sie die gleiche Frage, auf rote Zettel geschrieben, an alle Anwesenden weiter. Diakon Dieter Wittemann brachte die Fassungslosigkeit gegenüber den damaligen Verbrechen schließlich in einem Gebet zum Ausdruck, und dann sprachen alle das Vater unser, das Pfarrer Michael Schweitzer noch einmal in der Muttersprache Jesu, auf Aramäisch, wiederholte. Die Gedenkfeier schloss mit dem Segen Birkat Kohanim: Seit mehr als 3000 Jahren wird er in den Synagogen und häuslichen Feiern der Juden gesprochen. Seit Anbeginn der christlichen Kirchen fand er auch seinen Einzug in ihre Gottesdienste bis auf den heutigen Tag. Pfarrer Schweitzer sang diesen Segen auf Hebräisch und sprach ihn dann auf Deutsch. Die große Stille, in der alle Anwesenden regungslos noch lange Momente verharrten, war ein bewegender Ausdruck dafür, wie sehr auch heute noch, nach 81 Jahren, dieses Geschehen das menschliche Herz berührt.

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