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Pflege

Robo-Robbe hilft im Seniorenheim bei der Pflege

Nils Sandrisser/epdRobo-Robbe Paro schenkt der dementkranken Erika W. (links) glückliche Momente.Robo-Robbe Paro schenkt der dementkranken Erika W. (links) glückliche Momente.

In einem Seniorenheim in Bad Homburg ist der Pflegeassistenz-Roboter Paro im Einsatz. Die Robo-Robbe steht in der Kritik, weil sie angeblich menschliche Zuwendung in der Pflege ersetzt.

Nils Sandrisser/epdDie EVIM-Sozialarbeiterin Martina Tramm-Westenberger hat die Robo-Robbe Paro nach Bad Homburg geholt.

Die 81-jährige Erika W. nimmt das weiße Fellknäuel mit den großen, runden Augen auf den Schoß. „Mach mir nicht auf die Hose, du“, sagt sie und streichelt über den weichen Pelz des Knäuels. Das fiept zufrieden. Zumindest könnte man das denken.

Zufrieden ist es aber sicher nicht, denn es ist eine Maschine. Paro heißt sie und ist die Nachbildung eines Sattelrobben-Babys. Diese Meeressäuger sind wegen der Proteste bekannt, die sich Jahr für Jahr erheben, wenn in Kanada die Jagd auf sie beginnt. Der große Kopf und die runden, feuchten Augen entsprechen sehr dem Kindchen-Schema. Weil sie so positive Emotionen hervorrufen, eignen sie sich als Vorlage für Paro, den Roboter.

 

Robo-Robbe vor allem bei Demenz-Kranken im Einsatz

Paro kommt aus Japan, Professor Takanori Shibata hat sie entwickelt. Seit 2004 wird die Robbe verkauft. Die Robbe reagiert darauf, wie sie behandelt wird. Streichelt man sie, fiept sie wohlig, schlägt man sie, schreit sie herzzerreißend. Paro ist ein Pflege-Assistenzroboter. Die Robbe soll vor allem bei der Betreuung von Menschen mit starker Demenz helfen. In Deutschland setzen 20 bis 40 Altenpflegeeinrichtungen sie ein, je nachdem, welche Quelle man zurate zieht. Seit Dezember ist Paro auch im Bad Homburger Seniorenzentrum Flersheim-Stiftung im Einsatz, das zum Evangelischen Verein für Innere Mission in Nassau (EVIM) gehört.

 

Paro steht nur wenigen Patienten zur Verfügung

„Wir haben Bewohner, die für Menschen nicht mehr erreichbar sind, auch für Hunde nicht mehr“, erläutert EVIM-Geschäftsführer Frank Kadereit. Bei ihnen ist auch Therapiehund Cosimo gescheitert, der regelmäßig das Seniorenzentrum besucht. Für diese derzeit sechs hoch dementen Bewohner eines besonderen gerontopsychiatrischen Bereichs habe man Paro angeschafft. Sie sei nicht für die standardmäßige Betreuung gedacht. Kadereit tritt damit Vorbehalten entgegen, die in Verbindung mit der Robbe immer wieder geäußert werden: Die Robotte sei ethisch bedenklich, weil man mit ihr menschliche Zuwendung ersetzen könne.

 

Pflege-Roboter spart kein Personal

Barbara Klein, Professorin für Organisation und Management der Sozialen Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences in Frankfurt am Main, hat den Einsatz der Roboter-Robbe erforscht. Auch sie hält solche Bedenken nicht für stichhaltig. Denn typischerweise setzt man die Robbe in Sitzungen ein, die von besonders geschulten Mitarbeitern geleitet werden. Personal kann man so nicht einsparen.

 

Eine Robo-Robbe kostet bis zu 10.000 Euro

Und wenn man es dennoch versucht, kann es auf anderem Wege teuer werden. Die EVIM-Sozialarbeiterin Martina Tramm-Westenberger berichtet von einem Fall aus einer anderen Einrichtung, bei dem eine Bewohnerin Paro ins Klo gesteckt hatte. Eine Robbe braucht Wasser, eigentlich logisch. Nur tut so etwas der Technik des Roboters nicht gut, und immerhin kostet er 7.500 Euro. Mit Zoll und weiteren Kosten kommen da leicht 10.000 Euro zusammen. Man müsse sich auf den Einsatz vorbereiten, erläutert Tramm-Westenberger. Man müsse alles Mögliche wegräumen, damit die Bewohner Paro nicht Marmelade zu fressen geben.

 

Hochdemente Menschen werden plötzlich lebendig

2008 hat Barbara Klein Paro in einer Seniorentagesstätte in Japan kennengelernt. „Ich fand es erstaunlich, was da für ein Feeling rüberkam“, beschreibt sie. Die Senioren seien sofort lebhaft geworden, als das Pflegepersonal mit den Flauschbällchen hereinkam. „Das Anwendungsfeld scheint breit zu sein“, sagt sie. Demente Senioren, behinderte Kinder oder Wachkoma-Patienten kämen als Zielgruppen in Betracht.

Menschen, die sich mit Maschinen beschäftigten, entwickelten ein zweifaches Bewusstsein, sagt Klein: „Sie wissen um die Technik, aber sie behandeln den Roboter dennoch so, als ob er lebendig wäre.“ Bei Wachkoma-Patienten allerdings wisse man nicht, ob sie dieses zweifache Bewusstsein ebenfalls entwickelten. Ihre Forschungen mit dieser Patientengruppe zeigten jedoch, dass die positiven Reaktionen überwögen. Auch bei Menschen mit Demenz kann man nicht von einem zweifachen Bewusstsein ausgehen. Die Sozialarbeiterin Tramm-Westenberger betont zwar, dass sie stets offen sage, dass Paro nicht lebendig sei. Die meisten Bewohner verstünden das jedoch nicht.

 

Nicht jeder mag Robbe Paro

Barbara Klein rät dazu, nicht zu verallgemeinern. Für die Frage, ob der Einsatz der Robbe sinnvoll sei, müsse man sich mit der Biografie der Person beschäftigen, die man mit Paro beglücken wolle. „Wenn jemand nie Tiere mochte, wird er auch im Alter nicht über ein Fell streicheln wollen“, sagt sie. Ehe man Paro einsetzt, solle man daher zuvor erst mit allen Beteiligten sprechen, also mit den Angehörigen, dem Personal, und - wenn möglich - mit den Patienten beziehungsweise Bewohnern.

 

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